Denn es schmerzt (Roman)

“Denn es schmerzt” (oder “Es schmerzt”) ist eine tiefgründige Dokumentarprosa, die die Geschichten von zwei ukrainischen Frauen erzählt, deren Leben vom Krieg geprägt sind. Sie erzählt die parallel verlaufenden Geschichten von Anna Popowytsch, einer ehemaligen Partisanin, und einer jungen Frau aus der Ostukraine, die menschliche Identitätskrisen und die Auswirkungen des Krieges erforscht. Diese Erzählungen enthüllen die Stärke und Resilienz, die es braucht, um in solch schweren Zeiten ein Mensch zu bleiben.

Geschichte

Erzählstrang «Anna Popowytsch»

Die Erzählerin begleitet ein ihr bekanntes Filmteam aus Lwiw, das plant, einen Film über die Partisanin Anna Popowytsch zu drehen. Bei den Besuchen bei der ehemaligen Kämpferin hat die Erzählerin die Aufgabe, eine Begleitpublikation zum Film zu verfassen. Beeindruckt von den Gesprächen mit Anna, entscheidet sie sich bald, einen eigenen Roman über Anna zu schreiben. Die Erinnerungen der inzwischen neunundachtzigjährigen Anna, die auf Tonband aufgenommen wurden, folgen einer mehr oder weniger chronologischen Linie, die gelegentlich durch Flashbacks und Rückblenden unterbrochen wird. Sie spricht über Ereignisse aus ihrer Kindheit, ihre ersten Kontakte mit den Aufständischen, die unterirdischen Verstecke und den Alltag mit den Partisanen, ihre Gefangennahme durch die Russen, ihre Verletzung durch einen Gewehrschuss, der ihr einen Arm gekostet hat, ihre Verbannung in ein Lager nach Sibirien und schließlich die Verhöre und den Alltag im Lager.

Erzählstrang «Erzählerin»

In persönlichen, chronologisch geordneten Aufzeichnungen beschreibt die aus dem ostukrainischen Luhansk stammende Erzählerin, ihre Entwicklung von einer Person, die nach Identität und einer Lebensaufgabe sucht, hin zu einem Menschen, der seinen Platz und seine Bestimmung gefunden hat. Sie berichtet von ihrer Übersiedlung im Jahr 2012 aus ihrer damaligen Heimat im Donbas ins westukrainische Lwiw, ihrer Tätigkeit als Privatlehrerin für Deutsch, ihren Erfahrungen während der Revolution von 2013/2014, ihrer ersten Reise in die Schweiz, dem Ausbruch des Krieges im Osten der Ukraine, der Flucht ihrer Mutter aus dem umkämpften Gebiet und dem Verharren des Vaters in seiner Wohnung. Sie schildert ihre Suche nach ihrer Herkunft, insbesondere ihre Nachforschungen über die Familie ihres Vaters. Nach dem Tod ihrer Eltern – der Vater stirbt an einer Covidinfektion, die Mutter an Krebs – verlässt die Erzählerin schließlich die Ukraine, um in die Schweiz zu ziehen. Dort findet sie eine neue Heimat und möchte von dort aus ihren im Heimatland verbliebenen Freunden Unterstützung bieten.

Die Vereinigung der beiden Erzählstränge

Die beiden Erzählstränge von “Denn es schmerzt” sind eng miteinander verbunden und beeinflussen einander auf tiefgründige Weise. Während Annas Geschichte eine Erzählung von Widerstand und Überleben ist, stellt die Erzählerin die junge Generation dar, die nach ihrer Identität sucht und ihren Platz in der Welt finden will. Durch ihre Interaktionen mit Anna gewinnt die Erzählerin ein tieferes Verständnis von Resilienz und den Auswirkungen der Geschichte auf das Individuum und die Gesellschaft.

Die Geschichten von Anna und der Erzählerin haben gemeinsame Themen: Krieg, Identität, Verlust, Heimat und Resilienz. Sie sind beide von den Auswirkungen des Krieges betroffen, aber ihre Erfahrungen und Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Während Anna eine aktive Rolle in ihrem Widerstand spielt, erlebt die Erzählerin den Krieg aus der Distanz und ist mehr Beobachterin als Teilnehmerin. Aber beide sind durch ihre Erlebnisse geprägt und beide müssen Wege finden, sich an diese Veränderungen anzupassen und weiterzuleben.

Die Erzählstränge von Anna und der Erzählerin bilden eine gemeinsame Erzählung über die Stärke des menschlichen Geistes, die Fähigkeit zur Anpassung und die Suche nach Identität inmitten von Chaos und Veränderung. Sie erzählen die Geschichten von zwei Frauen, die trotz der Herausforderungen und des Leids, das sie erleben, in der Lage sind, zu überleben und zu wachsen. Dabei verkörpern sie die Widerstandsfähigkeit, die zentral im Selbstverständnis der Ukrainerinnen und Ukrainer und ihrer Geschichte ist.

Stil und Ton

Das Buch wechselt zwischen den Perspektiven von Anna und der Erzählerin und verwendet Dialoge, persönliche Reflexionen und Erzählungen, um ihre Geschichten und Emotionen zu vermitteln.

Annas Geschichte wird in der Form von Gesprächen erzählt, die die Erzählerin mit der unterdessen hochbetagten Anna Popowytsch führt. Annas Worte werden nahezu unverändert wiedergegeben, eingerahmt von Einleitungen, Fragen und Kommentaren der Erzählerin, die die Interviews führt. Annas Rede ist praktisch unverändert wiedergegeben, nur dialektale und einer nicht eingeweihten Leserschaft schwer verständliche Ausdrücke sind umgeschrieben worden. In der ukrainischen Ausgabe werden die Passagen Annas in kursiver Typographie von der Rahmenerzählung hervorgehoben.

Der andere Erzählstrang besteht aus persönlichen Betrachtungen der Erzählerin, die Gattung kann am ehesten als Tagebucheinträge bezeichnet werden. Die Einträge umfassen den Zeitraum von 2012 bis 2022 und enden nur wenige Tage vor dem großangelegten Angriff Russlands auf die Ukraine. So können diese zehn Jahre als Vorgeschichte zur darauffolgenden Katastrophe gedeutet werden.

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